Die Kolumne der SAfW-D

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Folge 2

BepiColombo ist eine Raumsonde, die unterwegs zum Merkur ist. Sieben Jahre braucht sie, um beim innersten Planeten anzukommen und Erkenntnisse über die Geschichte und Entstehung des Himmelskörpers zu gewinnen. Die Sonde muss während ihrer Reise neun Swingby-Manöver machen, um ihren Kurs neu auszurichten und vor allem um langsamer zu werden. Das heisst, kaum gestartet muss die Sonde bremsen, damit sie ihre angepeilte Umlaufbahn schlussendlich erreicht. Exakt dies musste ich zu Beginn meiner Arbeit als Wundexpertin schmerzlich lernen. Mit dem neuen Diplom in der Tasche, voll - wenn nicht sogar übermotiviert - startete ich meinen Feldzug durchs Berner Oberland. Beim einfachen Bergbauern im Seitental witterte ich den ersten spektakulären Wundfall. Multiple venöse Ulzerationen, infiziert, prekäre hygienische Verhältnisse. Wie gemacht für meine Mission. 
Mit dem schwarzen Wandtelefon mit Wählscheibe habe ich den zuständigen Hausarzt alarmiert. Ignorierend, dass der Betroffene weder meine noch ärztliche Hilfe wollte, keine Veränderung und schon gar nicht ins Spital zu bewegen war. Oder zumindest nicht so. In der Meinung, Gutes zu tun, habe ich die Wunden versilbert, ein Antibiotikum organisiert und – wohl das Allerschlimmste – ausgeholt mit meinen ausufernden Belehrungen ab Schulstube. Ohne Punkt und Komma von Hygiene, Infektion und Kompression doziert, ungeachtet der persönlichen Situation des Mannes, ungeachtet seiner Wünsche und Bedürfnissen. Vorbei an seinen Vorstellungen und Werten, vollständig übers Ziel hinausgeschossen und verglüht. Mein Fehlverhalten wurde mir beim zweiten Besuch unmissverständlich gespiegelt: über dem Wandtelefon war eine Kartonkiste genagelt, die Türe zum Zimmer des Klienten von innen abgeschlossen. Kein Durchkommen mehr. Mit Schwung ins Verderben gerast. 
Seither sind 15 Jahre vergangen. In unzähligen Missionen habe ich gelernt, Vorbeischwungmanöver einzuplanen, zu bremsen um anzukommen und die Flugrichtung immer wieder neu zu justieren. Geduldig um meine Klienten zu kreisen. Das spart meine Treibstoffreserven, brennt mich nicht aus und ermöglicht ein angenehmes Ankommen. BepiColombo muss die letzten vier Jahre der Reise um die Sonne fliegen, regelmässig zum Merkur zurückkehren um dabei immer langsamer zu werden. Erst dann beginnt ihre eigentliche Aufgabe. Die Reise der Weltraumsonde zeigt, dass der kürzeste und direkteste Weg oft nicht der Beste ist. Ich nehme mir ein Vorbild an diesem Flugobjekt. Nicht, dass mir das jetzt immer gelingt, aber ich bemühe mich, bei meinen Klienten rechtzeitig zu bremsen, um sanft, schmerzarm und rücksichtsvoll auf dem wunden punkt anzukommen. 
Lesen wir uns am 13. Juni? 

Elisabeth Kohler – von Siebenthal
 
e.kohler@safw.ch

Folge 1

In der Silvesternacht hatte ich die Idee, eine Kolumne für die SAfW Seite zu schreiben und wollte diesen Vorsatz flugs umsetzen. Wenn ihr jetzt denkt, das sei ein einfaches Unterfangen gewesen – weit gefehlt. Von meinen Vorstandskolleginnen und - Kollegen wurde das erst mal stark hinterfragt. "Wen willst du erreichen? Was ist der Output? Wie wird die Kolumne vermarktet?"
Erreichen möchte ich euch, die ihr wie ich Menschen mit Wunden betreut. Unser Berufsalltag als Wundspezialistinnen und Wundspezialisten ist reich an Erlebnissen, welche es wert sind, festgehalten zu werden. Ich erhebe keinen Anspruch auf hochstehende, evidenzbasierte Inhalte. Ich erhebe nicht einmal Anspruch auf korrekte Kommasetzung. Es soll auch keine fachliche Weiterbildung sein. Vielmehr sollen meine Kolumnen von der Basis für die Basis sein. Sie sollen unterhalten, zum Nachdenken anregen, vielleicht auch mal zum Lachen bringen. Ich schreibe aus der Ich-Perspektive und lasse euch teilhaben an alltäglichen Situationen aus meinem beruflichen Alltag. Ich mag Menschen und deren Geschichten. Ob ich euch dabei bestätige, begeistere oder gar verärgere ist nicht entscheidend. Wichtig ist mir lediglich, dass ich euch ansprechen und berühren kann.
"Vermarktet" muss die Kolumne nicht speziell werden. Ihr entscheidet, ob ihr meine Texte lesen wollt oder nicht. Angebot und Nachfrage wird das regeln. 
Der Output? Keine Ahnung. Nicht alles ist meiner Meinung nach messbar, nicht alles ergibt ein Resultat.  Muss es auch nicht. Trotzdem und gerade deshalb: ich habe meine erste Lektion bereits gelernt. Sorgfältiges Prüfen einer Idee, deren Zweck, Ziel und Umsetzung. Es hat mich gezwungen, mich vertieft mit meinem Vorhaben auseinander zu setzen. Und wenn mich das nächste Mal eine Wundklientin fragt: «Möchten Sie nicht ein Buch schreiben?», antworte ich überzeugt: «ja, ich will». Oder mindestens einen monatlichen punkt .

Lesen wir uns am 13. Mai? 
 
Elisabeth Kohler – von Siebenthal

Die Autorin

Die Autorin
Elisabeth Kohler – von Siebenthal ist seit 40 Jahren Pflegefachfrau. Seit 20 Jahren arbeitet sie in der Spitex Interlaken und Umgebung, davon seit zwölf Jahren ausschliesslich als Wundexpertin. Sie berät Arztpraxen und Heime bei Wundproblemen.
An der Fachhochschule absolvierte sie den Master in Wound Care. Nebenbei arbeitet sie freiberuflich als Fachdozentin an verschiedenen Institutionen und ist Vizepräsidentin der SAfW.  In der Eidgenössischen Kommission für Analysen, Mittel und Gegenstände (EAMGK) vertritt sie die Pflege.
Sie lebt im Berner Oberland und versorgt dort Menschen mit Wunden, auch in den abgelegensten Bergtälern. Sie hat sich mit Kopf und Herz dem Thema Wundversorgung verschrieben und liebt die Menschen und ihre Geschichten. Mit ihrem Humor kann sie von ihrem Alltag berichten, manchmal auch mit einer Prise Ironie.

e.kohler@safw.ch

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Letzte Aktualierung 01. 06. 2023; Webmaster: Patrick Bindschedler